Tragegepäck (impedimenta)

  Der hellenisierte jüdische Historiker Flavius Iosephus beschreibt in einer Passage seines bellum Iudaicum über den Feldzug des Feldherrn Flavius Titus (ältester Sohn Kaiser Vespasians) die Legionärsausrüstung um 70 n. Chr. Laut Iosephus trugen die Legionäre zusätzlich zur eigentlichen Kampfausrüstung ein enormes Marschgepäck, zu dem neben Verpflegung für drei Tage folgende Gegenstände gehörten: eine Säge, ein Schanzkorb, ein Spaten und ein Beil, Riemen, Messer und Stricke. Diese Darstellung ist wohl übertrieben – stattdessen dürften von den aufgelisteten Werkzeugen jeweils ein oder zwei Exemplare pro contubernium (die 8 Mann starke Zeltgemeinschaft als Basiseinheit) mitgeführt worden sein.

  Bildliche Darstellungen von Legionären mit Marschgepäck sind nur von der Trajanssäule in Rom bekannt (Abb. 1). Die Legionäre tragen ihr Gepäck dabei auf einer Tragestange mit einer dünneren Querstange an der Spitze. Die verschiedenen Bestandteile dieses Gepäckbündels werden gewöhnlich interpretiert als:

Abb. 1: Legionäre mit Marschgepäck in Szene IV-V der Trajanssäule (aus Coarelli, F., The Column of Trajan, Rom 2000, Taf. 5)
  • ein Kasserolle/Schöpfkelle (patera), sowie ein kleiner Kochtopf (trulla) für die Lebensmittelzubereitung (s. Abb. 2)
  • ein Netzbehälter (s. Abb. 3), in dem Lebensmittel (?) oder ein Wasserbehälter (? in Gestalt einer Kürbisflasche oder einer Lederflasche?) aufbewahrt werden konnten
  • ein wasserfest gefetteter Ledersack für den Umhang (paenula bzw. sagum) und evtl. weitere Wäschestücke, sowie eine rechteckige Ledertasche für Lebensmittel (?) und persönliche Gegenstände (?)(s. Abb. 3 u. 4) 
Abb. 2: Kasserolle/Schöpfkelle (patera) und Topf (trulla), beide aus innen verzinntem Messing (patera und trulla von Erik König, nach Originalen aus dem Hortfund von Neupotz, Foto T. Neidl)
Abb. 3: Netzbeutel (hier gefüllt mit Zwieback [bucellatum])(Beutel von Anton Feldon, Foto T. Neidl)
Abb. 4: Ledertasche aus dünnem Ziegenleder (Rekonstruktion Lisa Neumann, Nicole Jakob und Karin Hottner, Foto T. Neidl)

  Die Verlässlichkeit dieser Interpretationen ist allerdings nicht felsenfest geklärt, und das Thema Tragegepäck ist insgesamt ein sehr unsicheres Feld. Z.B. wurden erst vor einiger Zeit bestimmte metallene ‚Feldflaschen’ (s. Abb. 5) als Behälter für Öl identifiziert. 

  Bemerkenswert ist auch, dass die Gepäckbündel auf der Trajanssäule nicht mit dem von Iosephus beschriebenen Gepäckensemble identisch sind. Insgesamt sollte man sich bei dem Thema ‚militärisches Tragegepäck’ daher vor dogmatischen Ansichten hüten!

  Auch die Trageweise des Gepäcks ist umstritten. Die auf der Trajanssäule abgebildete Methode, bei der das Gepäckbündel über dem Kopf der Legionäre gehalten wurde, wirkt wegen des weit oben liegenden Gewichtsschwerpunkts wenig realisierbar. Die Darstellungs-weise könnte stattdessen einfach nur dem Bedürfnis entsprungen sein, das Tragegepäck dem Betrachter in seiner genauen Zusammensetzung zu präsentieren. Historiendarsteller die ihre Schilde beim Marsch auf dem Rücken tragen, pflegen das Gepäckbündel oben auf den Schildrand zu legen und damit den Schild zusätzlich zu stabilisieren. Wer den Schild dagegen links trägt, legt die Tragestange meist über die rechte Schulter, wo sie dank der Schulterplatten der segmentata nicht so leicht abrutschen kann (s. Abb. 6 u. 7). Für Träger von Kettenhemden oder Schuppenpanzern ist diese Methode jedoch nicht so einfach. 

Abb. 5: angebliche Wasserflasche, nach einem sehr ähnlichen Behälter auf dem Mosaik von Piazza Armerina wohl als Flasche für Salb- und Rostschutzöl zu deuten (Rekonstruktion von Deepeeka, Foto F. Himmler)
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Abb. 6: Legionär frühes 3.Jh. mit Tragegepäck (Foto T. Neidl)
Abb. 7: dass. v. hinten (Foto T. Neidl)

  Bei Eilmärschen wurde das Gepäck allerdings drastisch reduziert. Bevor Septimius Severus im Jahr 193 n.Chr. in einem Blitzfeldzug von Carnuntum nach Rom zog, befahl er seinen Soldaten, sich nur mit dem allernötigsten auszurüsten (Herodian 2, 11, 1). Darstellungen von mit Schilden beladenen Wägen auf der Marcussäule deuten darauf hin, dass diese bei Eilmärschen in weniger gefährdetem Terrain vom Tross transportiert wurden. Für wenigstens einen Teil des übrigen Gepäcks war dies wahrscheinlich ebenfalls der Fall. 

© Dr. Florian Himmler