Helme (galeae)

   Die meisten der vom späten 2. bis weit in das 3.Jh. n.Chr. verwendeten römischen Helme gehörten zur sogenannten Gattung „Niederbieber“, die nach einem exemplarischen Fund aus dem gleichnamigen Limeskastell so benannt wurde.[1] Die Helme dieser Gattung traten in zahlreichen Subtypen auf, unter denen es sowohl Versionen aus Messing gab, als auch Versionen aus Eisen mit Messingelementen. Niederbieber Helme hatten Wangenklappen, die das Gesicht des Trägers bis auf eine T-förmige Visieröffnung fast komplett umschlossen und auch die Ohren abdeckten. Die unteren Ränder der Wangenklappen wiesen zusätzlich nach außen abknickende Flächen auf, die wohl zum Schutz der Halsschlagadern dienten. Auf die Kalotten dieser Helme waren zwei sich rechtwinklig kreuzende massive Bügel aufmontiert, die Hiebe auffangen oder – noch besser – seitlich abgleiten lassen sollten. An mehreren Stellen der Kalotte aufgenietete Kegelspitzen dienten möglicherweise ebenfalls als zusätzlicher Schutz, hatten daneben aber wohl auch Zierfunktion. Charakteristisch für diese Helmgattung war außerdem ein grob dreieckiges, spitz zulaufendes Stirnblech (Abb. 1-3).

Abb. 1:
Originalfund aus Heddernheim
Abb. 2
Rekonstruktion von Deepeeka.
Abb. 3
Rekonstruktion von Anton Feldon.

  Diese Helmgattung wurde wahrscheinlich sowohl von Kavalleristen als auch Infanteristen getragen und blieb nach Funden aus dem Limesgebiet bis mindestens etwa 260 n.Chr. in Gebrauch. Im späteren 3.Jh. kamen dann schließlich Helmformen auf, die sich vor allem an orientalischen und reiternomadischen Vorbildern orientierten (Kamm- und Spangenhelme), und einen radikalen Bruch mit den römischen Helmtraditionen darstellten.

  Ein möglicherweise ebenfalls bis Mitte des 3.Jh. noch vorkommender Helmtyp ist archäologisch mit nur zwei Exemplaren (und einigen Fragmenten) vertreten, nämlich einerseits mit einer Messingversion aus Niedermoermter am Niederrhein, sowie andererseits einer Eisenversion mit Messingelementen aus dem Balkanraum. Die Eisenversion befand sich bis vor einiger Zeit in der Sammlung Axel Guttmann, und wird gelegentlich als ‚Axel Guttmann Niedermoermter’ bezeichnet. Beide Versionen waren leider ohne Wangenklappen, doch könnten diese ähnlich ausgesehen haben wie bei den oben angegebenen Niederbieber Helmen.

Abb. 4a:
Niedermoermter von der Seite.
(Rekonstruktion von Deepeeka – die Wangenklappen sind hypothetisch, Foto K. Schäfer)
Abb. 4b:
sog. Axel Guttmann Niedermoermter (Balkan)
von der Seite
.
Abb. 4b:
sog. Axel Guttmann Niedermoermter (Balkan) von Oben

  Niedermoermter Helme zeichneten sich ansonsten durch ungewöhnlich große Nackenschilde aus, die möglicherweise für zusätzlichen Schutz im Kampf gegen Reiterkrieger entworfen worden waren, sowie eine halbmondförmige Stirnkonstruktion, die, ähnlich den dreieckigen Stirnblechen der Niederbieber Helme, wahrscheinlich frontale Hiebe ablenken oder zumindest dämpfen sollte (Abb. 4). Die Stirnkonstruktion bei dem Axel Guttmann Niedemoermter hatte mit ihren zahlreichen dreieckigen Öffnungen wahrscheinlich eine knautschzonenartige Funktion, d.h. sie sollte wohl die kinetische Energie ankommender Treffer durch Verformung auffangen. Was die Kreuzbügelkonstruktion auf der Kalotte angeht, so war diese bei den Niedermoermter Helmen nur angedeutet, und stand in keinem Verhältnis zu den massiven Kreuzbügelverstärkungen der Niederbieber Helme.

Abb. 5a:
Gitterstruktur des Stirndeflektors und die Verarbeitungsqualität des Helms weichen etwas vom Original ab. Foto F. Himmler).
Abb, 5b:
Nackenschilddes des Axel Guttmann Niedermoermter (Rekonstruktion von Deepeeka

  Der Messinghelm von Niedermoermter wird aufgrund eines fehlenden Beinamens der darauf einpunzierten LEG XXX VLPIA VICTRIX auf 197 n.Chr. datiert, doch lässt sich über die Aussagekraft dieser Argumentation streiten. Die Eisenversion wurde zusammen mit einer Infanterie-spatha der Gattung Lauriacum-Hromovka, einer Pionieraxt (dolabra), sowie einem Dolch vom Typ Künzing gefunden (s. u. ‚Waffen’). Dieser Fundzusammenhang spricht für einen Zeitraum aus dem späteren 2.Jh., bzw. aus der ersten Hälfte des 3.Jh.

  Abbildungen römischer Legionäre auf der Trajanssäule und einem Relief aus Mainz zeigen an der rechten Schulter der Plattenrüstung (segmentata) festgezurrte Helme . Dieselbe Methode lässt sich auch mit Niedermoermter Helmen anwenden, doch ist eine Befestigung in Bauchhöhe wegen des sperrigen Nackenschilds effektiver (Abb. 5). Sowohl die Niederbieber Helme als auch die Niedermoermter Helme hatten am Nackenschild einen Haltegriff, mit dem der Helm über ein Lederbändsel befestigt werden konnte. Der Helm sollte jedoch zusätzlich mit einem zweiten Lederbändsel (das von der Kalotte ausgeht) fesgezurrt werden, da er ansonsten ständig gegen die Rüstung bzw. die Schildinnenseite schlägt, was das Material (und die Nerven des Trägers) auf die Dauer überstrapazieren könnte.

Abb. 6: an den Bauchsegmenten einer Newstead segmentata befestigter Niedermoermter Helm (Rekonstruktion von Deepeeka, Foto T. Neidl).

  Insgesamt boten die Helme dieser Zeit bereits durch ihre großflächige Abdeckung von Kopf, Hals und Nacken ausgezeichneten Schutz. Hinzu kam ihre aufwändige Konstruktion mit Ablenkelementen, was für die Niederbieber Helme in noch höherem Grad der Fall war als für die Niedermoermter Helme. Der Preis dafür lag allerdings in einer nur eingeschränkten Beweglichkeit. Laut einer Quelle zur römischen Taktik und Militärausrüstung in den Parther- und Perserfeldzügen des frühen 3.Jh. n.Chr. (Julius Africanus) konnten die römischen Soldaten mit ihren massiven Helmen nicht den Kopf in den Nacken legen, so dass sie anfliegende Schleudergeschosse nicht mehr rechtzeitig erkannten. Einen ähnlichen Hinweis bieten Grabungsergebnisse aus Dura-Europos, einer römischen Grenzstadt im östlichen Syrien, die um 256 n.Chr. trotz starker Verteidigungsanlagen einer längeren Belagerung der sassanidischen Perser zum Opfer fiel. Während der Gefechte kam es in einem engen und stickigen Belagerungstunnel unter Turm 19 zu einem kurzen aber mörderischen Kampf, der mehrere römische Soldaten das Leben kostete. Da der Tunnel kurz darauf einstürzte, blieben die Leichen und die Ausrüstungsgegenstände an Ort und Stelle. Reste römischer Helme kamen bei den Ausgrabungen nicht zu Tage, vermutlich weil diese ihre Träger in dem engen und niedrigen Tunnel zu sehr behindert hätten. Dass die persischen Soldaten in dieser Hinsicht im Vorteil waren, zeigen Reste eines persischen Kammhelms, der dank eines Nackenschutzes aus Kettengeflecht wesentlich flexibler war als seine römischen Gegenstücke.

  Wandmalereien aus der Synagoge von Dura-Europos zeigen außerdem in einigen Fällen seltsame Kopfbedeckungen, in denen wahrscheinlich Kettenhauben oder Schuppenhauben zu sehen sind (s. ‚Schilde’ Abb. 6). Funde derartiger Hauben, bzw. als derartige Hauben identifizierte Funde, gibt es bislang aber leider keine.

  Nicht ganz klar ist, was für ein Material römische Soldaten unter ihren Helmen trugen, um den Schweiß aufzufangen, ein Scheuern des Helms zu verhindern, und Treffer abzudämpfen. Im inneren eines Helms aus Vindonissa (Windisch in der Schweiz) aus dem 1.Jh. n.Chr. (?) fanden sich noch Reste eines Innenfutters aus Filz. Eine in den Ruinen von Dura-Europos gefundene Mütze aus Wollfilz (Abb. 7a) wird mitunter als Helmpolstermütze interpretiert, ist aber wahrscheinlich eine Form des ‚bashlyk’, der klassischen Kopfbedeckung iranisch/zentral-asiatischer Steppennomaden, die auch im 20.Jh. in Gestalt der Budjonny-Mütze der Roten Armee noch eine militärische Rolle spielte. Auch wenn die Dura-Mütze vielleicht nicht explizit als Helmpolster dienen sollte, lässt sie sich dennoch in dieser Form verwenden (Abb. 7b). Insgesamt hat diese Kopfbedeckung ein breites Funktionsrepertoire, denn bei Kälte hält sie mit ihren Wangenklappen Ohren und Halsschlagadern warm, und bei Hitze dient sie als effektiver Sonnenschutz, der durch Anfeuchten auch kühlt. Die Wangenklappen lassen sich auch hochbinden (Abb. 7c). 

Abb. 7a:
Wollmütze aus Dura-Europos als Ohrenschutz.
(Rekonstruktion . Himmler, Fotos T. Neidl)

 

Abb. 7b:
Wollmütze aus Dura-Europos als Helmfutter.
(Rekonstruktion F. Himmler, Fotos T. Neidl)

 

Abb. 7c:
Wollmütze aus Dura-Europos hochgebunden.
(Rekonstruktion F. Himmler, Fotos T. Neidl)

 

  © Dr. Florian Himmler


[1]Diese Benennung ist aufgrund weiterer Helmfunde an diesem Standort allerdings nicht ganz unproblematisch.